Prostsch2002 - Nitribitt e.V. - Treffpunkt und Beratungsstelle für Prostituierte

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Recht und Politik

Deine Rechte, Deine Pflichten und was es rechtlich noch zu beachten gilt:
Wissenswertes was es zu beachten gibt.
1.Recht

Am 01.01.2002 ist das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten, kurz - Prostitutionsschutzgesetz – (ProstG) in Kraft getreten. Es soll der Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation von Prostituierten dienen und beinhaltet rechtliche Änderungen, die neben den Prostituierten auch Freier und Bordellbetreiber betreffen.

2. Was hat sich geändert?
Vor Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes war die Prostitutionstätigkeit zwar legal, aber sittenwidrig. Die Sittenwidrigkeit ist nun nicht mehr auf die Prostitutionstätigkeit anzuwenden. Das bedeutet:

Strafrechtlich

- Ein Freier macht sich wegen Betrugs strafbar, wenn er eine erbrachte Leistung nicht zahlen will und das schon vorher geplant hat.

- Sexarbeiter*innen machen sich strafbar, wenn sie die Bezahlung annehmen und planen dafür keine Leistung zu erbringen.

- Nicht mehr strafbar ist die „Förderung der Prostitution“. Bordellbetreiber*innen, die ein schönes Ambiente und einen hohen Hygienestandard am Arbeitsplatz bieten, machen sich nicht mehr strafbar. Vorsicht ist geboten, da dieser Paragraph immer noch in Richtung Strafbarkeit ausgelegt werden kann!

- Die Vermittlung sexueller Dienstleistungen, sogenannte „ kupplerische Zuhälterei“ ist nicht mehr strafbar. „Zuhälterei“ bleibt strafbar – damit gemeint ist die Ausbeutung und Beeinflussung von Prostituierten, so dass sie nicht selbstbestimmt der Sexarbeit nachgehen (können).

Steuerrechtlich

- Einkünfte aus der Prostitution unterliegen nach wie vor der Einkommen- und Umsatzsteuerpflicht bzw. – wenn ein abhängiges Arbeitsverhältnis besteht – der Sozialversicherungspflicht. Bei Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfebezug (Hartz IV) sind Einkünfte aus der Sexarbeit anzugeben.

Zivilrechtlich

- Gemäß dem ProstG können mit dem Freier rechtwirksame Verträge geschlossen werden. In keinem Fall müssen Sexarbeiter*innen vereinbarte Leistungen erbringen. Der Freier kann Geld, das er bereits bezahlt hat, zurückfordern. Hat der/die Sexarbeiter*in ihre Leistung erbracht, hat er/sie keinen einklagbaren Anspruch auf das Entgelt.

- Mit Bordellbetreibern können Arbeitsverträge abgeschlossen werden. Der „Zuhälterparagraph“ wird nicht mehr automatisch auf Arbeitgeber*innen in der Prostitution angewendet, sondern nur bei vorliegender Ausbeutung und Beeinflussung.
Auch wenn die Prostituierte keinen Freier hatte, hat sie einen einklagbaren Anspruch auf den Arbeitslohn.
Bereits gezahlter Lohn, kann von Bordellbetreiber*innen im Falle einer Kündigung zurückgefordert werden.
Zusagen einer Prostituierten aus diesem Beschäftigungsverhältnis sind nicht einklagbar. Sexuelle Praktiken müssen von einer Prostituierten nicht erbracht werden, auch wenn sie versprochen wurden.

Gewerbliche Einstufung der Prostitution
- Die Ausübung der Prostitution gilt nicht mehr als sozial unwerte Tätigkeit.
- Eine Gewerbeanmeldung ist nicht erforderlich, da die selbstständige Prostitution nicht als gewerbliche Tätigkeit eingestuft wird, in fast allen Bundesländern (unter anderen in Bremen nicht) müssen aber Bordelle und ähnliche Betriebe gewerblich angemeldet werden.
- Die Prostitution kann als selbstständige Tätigkeit oder als Arbeitnehmer*in ausgeübt werden.

Leider gibt es bei vielen Regelungen und Verordnungen im Zusammenhang mit dem Gesetz keine Einheitlichkeit in den verschiedenen Bundesländern.

3. Was bleibt?
- Die Straftatbestände des Menschenhandels bleiben bestehen.
- Der Tatbestand der jugendgefährdenden Prostitution bleibt bestehen.
- Sperrbezirke werden durch das ProstG nicht aufgehoben.
- Jugendschutzrechtliche Bestimmungen bleiben bestehen.
- Die Prostitutionsausübung ist unter 18 Jahren verboten.

5. Rechtliche Grundlagen für Migrant*innen
Im Sinne des Ausländergesetzes ist die Ausübung der Prostitution eine Erwerbstätigkeit. Ob für Migrant*innen die Prostitutionstätigkeit legal ist, hängt vom jeweiligen Aufenthaltsstatus und den entsprechenden Auflagen ab. Handelt sie nicht den Auflagen entsprechend, verwirkt sie Ihren Aufenthaltsstatus.
- Für Migrannt*innen, die sich mit einem Touristenvisum in Deutschland aufhalten, ist jede Arbeitsausübung, auch die Sexarbeit verboten.
- Frauen, die mit Migrannt*innen verheiratet sind, ist eine selbstständige Tätigkeit in Ihrer Aufenthaltsgenehmigung in der Regel verboten. Für unselbstständige und vergleichbare  Tätigkeiten benötigt sie eine Arbeitserlaubnis.
- Ist eine Frau mit einem Deutschen bzw. mit einem EU-Bürger verheiratet, hat sie in der Regel keine Auflagen.

6. Razzia
Es kommt immer wieder vor, dass Frauen in einem Club, einer Bar und auch in einem Apartment in eine Razzia geraten. Einige der Frauen haben sich an uns gewandt, und wir haben beschlossen hier mal Rechte einer anschaffenden Frau während einer Razzia aufzuschreiben.
- Jede Frau ist nur verpflichtet, Angaben zu ihrer Person zu machen, d.h. Name, Geburtsdatum, Geburtsort und aktuelle Adresse. Den Ausweis dabei zu haben wird also empfohlen. Tipp: eine Kopie wird in der Regel auch akzeptiert!
- Fragen, die darüber hinausgehen, müssen nicht beantwortet werden. Im Gegenteil: es ist sinnvoll darauf hinzuweisen, dass man weitere Aussagen verweigert.
- Macht keine Angaben über Euer Einkommen aus der Prostitution.
- Vorsicht bei der Frage nach sonstigen Einkünften (z.B. Sozialhilfe / Hartz IV) und Steuerzahlungen. Wenn die Polizei Kenntnis von Gesetzesverstößen erhält, kann sie diese Informationen weiterleiten (z.B. an das Sozialamt / Jobcenter) – und das gibt Ärger. Wir empfehlen, bei Bezug von Geldern, den Nebenverdienst anzugeben – das erspart Ärger.
- Auch als Zeugin könnt Ihr auf der Polizeiwache von dem Aussage-verweigerungsrecht Gebrauch machen. Bei der Staatsanwaltschaft oder einem Gerichtsverfahren muss jedoch eine Aussage gemacht werden (nicht gegen den Verlobten, Mann, Kinder und Eltern).

...und übrigens:

Als Beschuldigte bin ich
nie und nirgendwo zu
einer Aussage verpflichtet!

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